Bis vor wenigen Monaten bewegte ich mich in meinem Leben in zwei Welten, die eigentlich nie zusammenfinden konnten: psychologische Forschung und die Praxis der sozial-ökologischen Transformation. Seit sechs Jahren durchforstete ich unzählige psychologische Studien, las Lehrbücher und führte selbst Forschungsprojekte durch. Und in meiner Freizeit machte ich parallel dann das, was mir als das einzig Sinnvolle vorkam: mich als freiwillig Engagierte einsetzen für die Lösungen der großen Probleme unserer Zeit. Während der Studienzeit gelang es mir noch nicht, beide Welten miteinander verbinden. Nun ist es aber endlich soweit! Ein Auftakt der Reihe „Wissenschaft erklärt“, Vorhang auf!
Zwei Welten, die sich so gerne kennengelernt hätten
Im Jahr 2020 habe ich im Rahmen meiner Masterarbeit zur Psychologie des Klimaschutzes und der Klimakommunikation an der Freien Universität Berlin wohl Tausend wissenschaftliche Artikel gelesen. Und damit bin ich nicht die einzige: Ohne eine wissenschaftliche Arbeitsweise wird es wohl keine Studierende bis zum Abschluss schaffen. Die Präzision, das analytische Denken, die Notwendigkeit von genauen Belegen und die ständige Selbstreflexion habe ich sehr geschätzt. Doch was passiert schließlich mit den so interessanten Ergebnissen? Wir schreiben noch immer das Jahr 2020. Zur gleichen Zeit arbeiten unzählige NGOs, gemeinnützige Unternehmen und Klimabewegungen fleißig und mit vollem Einsatz daran, die sozial-ökologische Transformation in Deutschland und anderen Orten endlich einzuleiten. In dieser Welt ist klar: Wir haben es eilig, wir dürfen keine Zeit verschwenden. Wir müssen laut sein, stark und mutig. Wir haben Gretas empörte Stimme „How dare you?!“ im Ohr. Doch mit welchen Botschaften, welchen Gefühlen und welchen Tonarten erreichen wir denn die neuen Zielgruppen wirklich?
Beide Welten, Forschung und Praxis, hätten sich so gerne kennengelernt. So gerne mehr voneinander gelernt, sich inspiriert und gegenseitig bereichert. Doch manche Dinge brauchen ihre Zeit?
Ein Plädoyer: Bringt mehr Forschung in die Praxis! (Und mehr Praxis in die Forschung.)
In meiner Selbstständigkeit habe ich es mir zur Aufgabe gesetzt, mehr wissenschaftliche Fundierung – und damit auch die Orientierung an dem, was wirklich wirkt – in die Praxis zu bringen. Denn wenn doch schon Studien – über die Wahrnehmung der Klimakrise, über die psychologischen Mechanismen, die uns vom Handeln abhalten, über wirksame Klimakommunikation – vorliegen, warum nutzen wir sie nicht einfach und machen uns damit die Transformation leichter?
In meiner Beratung und in meinen Weiterbildungen liegt mir ein wissenschaftlicher Standard am Herzen. In einem meiner letzten Projekte erzählte mir ein Kollege von der sogenannten „Bauchipedia“-Methode. Also von seinem Versuch, komplexe psychologische Zusammenhänge und Phänomene mit dem „Bauchgefühl“ zu erklären. Was dabei rauskommt? Leider selten Erkenntnisse, die uns wirklich weiterhelfen, so meine Befürchtung.
Was wissenschaftliche Fundierung für mich persönlich heißt
Wissenschaftliche Standards in meiner Arbeit anzulegen heißt für mich: den aktuellen Forschungsstand kennen, etablierte empirische Methoden verwenden und die Wirksamkeit meiner Beratung und Weiterbildungen selbstkritisch zu messen. Wissenschaftlichkeit ist wichtig, um effektiv arbeiten zu können – also die Wirkung möglichst direkt entfalten zu können, die wir uns in der Welt wünschen. Ein Vorbild für meine Arbeit sind beispielsweise die vier wissenschaftlichen Standards der Deutschen Gesellschaft für Evaluation, die bei fundierten Evaluationsprojekten berücksichtigt sein sollten.
Vorhang auf für „Wissenschaft erklärt“!
Mit der Reihe „Wissenschaft erklärt“ möchte ich gerne die Brücke schlagen von der Forschung zur Praxis. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Psychologie zugänglich und verständlich machen für Praktiker:innen, die diese Erkenntnisse direkt morgen in ihrem Alltag berücksichtigen können. Was heißen die neusten Studien für die Praxis? Welche Schlussfolgerungen sind korrekt und welche zu vorschnell?
Eins ist klar: Wissenschaft zu verstehen und angemessen anzuwenden, braucht viel Übung. So wie wir als Gesellschaft im Rahmen der Corona-Pandemie gelernt haben, Inzidenz-Werte und den R-Wert zu interpretieren, ist nun die Zeit gekommen, auch Forschungsergebnisse und -methodiken aus den Sozial- und Klimawissenschaften kennenzulernen, um frühzeitig einer Klimakatastrophe vorbeugen zu können.
Mein Artikel in der Zeitschrift „Gehirn & Geist“
Auf diesem Weg habe ich das Team hinter „Gehirn & Geist“ kennenlernen dürfen. Nachdem ich einige Jahre lang selbst die Monatszeitschrift zu Themen der Psychologie, Hirnforschung und Medizin vom Spektrum-Verlag gelesen habe, durfte ich in der März-Ausgabe selbst einen Artikel veröffentlichen. Was für eine Ehre!
In dem Artikel teile ich die wichtigsten Grundlagen der Klimapsychologie und Klimakommunikation. Hier geht’s zum kostenfreien Online-Artikel: https://www.spektrum.de/news/klimakrise-weit-weg-unsicher-komplex/1839031 (ungefähr 9 Minuten Lesezeit).
Checkliste: Ist der Artikel etwas für dich?
Der Artikel ist genau für dich gemacht, wenn…
- … du dich schon immer gefragt hast: Wie nehmen Menschen eigentlich die Klimakrise wahr? Was hält Menschen denn vom Handeln ab, obwohl die Faktenlage so klar scheint?
- … du in persönlichen Gesprächen gerne dein Gegenüber zum Umdenken oder Handeln anstoßen möchtest und konkrete Tipps suchst (siehe gelber Infokasten).
- … du neugierig bist, welche vier Missverständnisse der Klimakommunikation du auf keinen Fall reproduzieren solltest (siehe Übersicht unten).
- … du die wichtigsten psychologischen Studien zur Klimakrise und Klimaschutz kennenlernen möchtest und mit deinem Psychologie-Wissen punkten möchtest.
- … du neugierig auf meine persönliche Geschichte bist, wie für mich die Klimakrise so richtig greifbar wurde und was damit mein guter Freund Pablo damit zu tun hat.
Es ist Zeit zum Handeln! Was du tun kannst?
Ich lade dich dazu ein, es dir gemütlich zu machen und den Artikel „Weit weg, unsicher, komplex?“ zu lesen. Vielleicht magst du ja auch deine eigenen psychologischen Barrieren reflektieren, die dich persönlich vom Handeln abhalten. Probiere dich aus, mache Fehler und lerne dazu. Lasst uns gemeinsam durch viele Gespräche über die Klimakrise und über gerechten Klimaschutz diese wichtigen Themen dahin holen, wo sie hingehören: in die Wohnzimmer, Klassenzimmer, Büros und Parlamente.
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