Überwältigt? 3 Wege aus der Klimaangst

20. Feb 2023 | Praxisanleitungen, Wissenschaft erklärt

Hitzewellen, Waldbrände und Sturmfluten: Die Auswirkungen der Klimakrise werden immer deutlicher. Die zunehmenden Extremwetterereignissen hinterlassen ihre Spuren nicht nur auf unserem Planeten, sondern auch in der Psyche der Menschen. Und so breitet sich ein neuer Begriff in unserem Sprachgebrauch aus: Klimaangst.  Doch was ist Klimaangst, wie verbreitet ist sie und wie kann man damit umgehen? Wir haben das neue Phänomen für Sie unter die Lupe genommen.

Was ist Klimaangst?

Die Klimakrise und ihren Auswirkungen werden von vielen Menschen mit Sorge betrachtet. Klimaangst kann als Unterkategorie der “eco-anxiety” angesehen werden, die von einer der weltgrößten Organisationen für Psycholog:innen der American Psychological Association und ecoAmerica als chronische Angst vor dem ökologischen Untergang definiert wird. Die Klimakrise ist die größte Bedrohung unserer Lebensgrundlage und der Biodiversität unseres Planeten allgemein: Hitzesommer, Dürren, Stürme oder Waldbrände werden in den nächsten Jahren voraussichtlich häufiger auftreten. Auch Flutkatastrophen wie im Ahrtal machen die Bedrohung in unseren Breitengraden erfahrbar. Diese negativen Zukunftsaussichten lösen bei vielen unangenehme Gefühle wie Klimaangst aus.

Wie verbreitet ist Klimaangst?

Das Thema Klimaangst ist längst in der Forschung angekommen. Eine breit angelegte Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass die Klimakrise weltweit für psychischen Stress sorgt. So zeigen sich etwa 60% der Kinder und jungen Erwachsenen sehr besorgt über den Klimawandel. Menschen mit Klimaangst sind sich der Größe der Bedrohung bewusst, haben Angst vor einer Zukunft voller Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen. Diese Zukunftsangst kann zusätzlich dadurch verstärkt werden, dass man wenig individuellen Handlungsspielraum wahrnimmt oder mit der Frustration darüber umgehen muss, dass trotz der existenziellen Bedrohung politisch viel Stillstand herrscht. In den Ergebnissen der Studie Climate anxiety, wellbeing and pro-environmental action wird deutlich, dass Klimaangst in den meisten Ländern mit schlechterer mentaler Gesundheit in Verbindung steht. Das Phänomen Klimaangst zeigt: Die Klimakrise bringt neue Belastungen für die mentale Gesundheit mit sich, für die wir einen Umgang finden müssen.

Der falsche Umgang mit Klimaangst

Wichtig ist es, zunächst klarzustellen, dass Klimaangst an sich nicht therapeutisch behandelt werden muss. Sie kann zu klinischen Symptomen führen, welche einer Behandlung bedürfen, dies geht aber über die Klimaangst selbst hinaus. Wenn sich eine Angststörung entwickelt oder die Lebensbewältigung beeinträchtigt wird, ist professionelle Hilfe nötig. Niedrigschwellige Beratungsangebote für Personen, die sich nicht-therapeutische und therapeutische Unterstützung bei Fragen zu Klimaangst wünschen, finden sich etwa bei den Psychologists For Future (https://www.psychologistsforfuture.org/unterstuetzung-fuer-engagierte/).

Klimaangst selbst ist eine angemessene Reaktion auf die aktuelle Lebensumwelt. Die Klimaangst zu pathologisieren ist der falsche Umgang, denn das Pathologisieren würde vom eigentlichen Problem ablenken. Es handelt sich bei Klimaangst nicht um eine Angst, die individuell behandelt werden muss. Die Angst hat eine Funktion, indem sie darauf hinweist, dass ein globaler Handlungsbedarf besteht. Es geht also nicht darum, die Angst als Symptom, sondern deren Auslöser zu beseitigen.

Funktionen und Potenziale von Angst

Angst hat eine aktivierende Seite und gilt evolutionär als Handlungsmotivator. Sie regt dazu an, die aktuelle Situation zu verändern. Heute flieht man vielleicht nicht mehr (regelmäßig) vor einem Raubtier, aber der Mechanismus ist trotz der anderen Art aktueller Herausforderungen der gleiche geblieben. Auch Klimaangst weist uns auf eine Bedrohungslage hin und kann einen Handlungsimpuls auslösen. Da die Klimakrise besonders existenzbedrohend ist, ist es nur natürlich, dass wir davor Angst haben.

Klimaangst hat also auch eine funktionale Komponente. Klimaangst kann sinnvolle Folgen haben, zum Handeln und Vernetzen mit anderen, denen es ähnlich geht, motivieren. Für alle, die sich von Klimaangst nicht überwältigen lassen wollen, sondern einen sinnvollen Umgang mit ihr finden möchten, lohnt sich ein Blick in unsere drei Tipps.

3 Tipps: Zwischen Überwältigung und Aktivismus – Der Weg aus der Klimaangst

Klimaangst kann überwältigend sein. Angesichts der Größe der Krisen fällt es manchmal schwer, einen Ausweg zu sehen. Betroffene wissen, dass sie das Klima nicht allein „retten“ können, wodurch die Situation schnell aussichtslos wirkt. Das kann lähmend wirken. Wir haben drei Tipps, wie der Weg aus der Klimaangst gestaltet werden kann.

Tipp 1: Austausch gegen die Überwältigung

Bei Überwältigungsgefühlen hilft es, in den Austausch mit anderen Menschen zu treten. Meist merkt man schnell, dass man nicht alleine ist, mit den Sorgen um Zukunft und Zuhause. Gespräche mit Menschen, die einem nahestehen, und Personen, die in der Klimabewegung engagiert sind, können helfen. Hier kann man Hoffnung schöpfen und sich Orientierung darüber schaffen, wie man mit der eigenen Angst umgehen möchte. Über solche Gespräche kann man auch die aktivierende Seite der Klimaangst kennenlernen.

Tipp 2: Gemeinsam aktiv werden

Schließt man sich mit anderen zusammen, um für die eigenen Werte einzustehen, kann dies das Selbstwirksamkeitsgefühl stärken und der Angst etwas entgegensetzen. Menschen mit Klimaangst wird deshalb empfohlen, sich nicht nur über die Klimakrise zu informieren und in der Angst zu verbleiben, sondern selbst aktiv zu werden. Sich gemeinsam für Klimagerechtigkeit einzusetzen und politisches Handeln einzufordern, hilft auch denen, die nicht die Ressourcen haben sich selbst zu engagieren. Denn wenn die Klimakrise politisch wirkungsvoll angegangen wird und das Vertrauen der Menschen in die Klimapolitik wächst, schmälert dies auch die Angst bei den Menschen, die selbst nicht aktiv werden können. Klimaangst verringern heißt also: Handeln mit und für andere! Um gegen die Klimaangst aktiv zu werden, gibt es viele Wege. Je nach Belieben und Zeit kann man Petitionen unterstützen, sich für das Thema Klimaschutz am eigenen Arbeitsplatz stark machen und sich in der Klimabewegung oder politisch engagieren.

Tipp 3: Auf eigene Ressourcen achten

Bei allem Einsatz für das Klima bleibt es wichtig, auf sich selbst zu achten und ein nachhaltiges Engagement zu betreiben. Auch Ruhepausen sind nötig, um die Klimakrise effektiv angehen zu können. Denn sie ist eine langfristige, komplexe Krise, die nicht auf einen Schlag gelöst werden kann. Jeder Mensch kann theoretisch endlos Ressourcen und Zeit in die Lösung der Krise investieren. Man sollte also nie vergessen: Es braucht einen langen Atem und ausbrennen hilft niemandem.

Klimaangst & Gerechtigkeit: Barrieren im Umgang mit der Angst

Für Klimaschutz aktiv zu werden ist eine der häufigsten Empfehlungen, um mit Klimaangst umzugehen. Menschen, die sich mit ihren Ressourcen gegen die Klimakrise engagieren können, sind allerdings in einer privilegierten Position. Dies ist nur möglich mit genug Zeit, Geld, mentaler Gesundheit und der Möglichkeit, die eigene Meinung frei zu äußern. Diese Mittel stehen nicht allen Menschen mit Klimaangst zur Verfügung. Das betonen auch Ogunbode und Kolleg:innen. Laut ihrer Studie sind die meisten Länder, in welchen stärkere Klimaangst mit mehr Umweltaktivismus in Zusammenhang steht, europäisch, demokratisch und wohlhabend geprägt. Solche strukturellen Barrieren betonen, dass die Klimakrise auch in Hinsicht auf die mentale Gesundheit mit Gerechtigkeitsfragen verknüpft ist. 

Weitere Auswirkungen vom Klima auf die Psyche

Neben Klimaangst kann die Klimakrise noch weitere Auswirkungen auf unsere Psyche haben. Eine im British Journal of Psychiatry veröffentlichte Studie zeigt: Personen, die Extremwetterereignissen durchleben, leiden danach verstärkt unter erhöhtem Stress, Depression oder einer posttraumatischen Belastungsstörung. Umweltbelastungen wie Luftverschmutzung und auch Hitzewellen können neben der körperlichen auch die mentale Gesundheit beeinträchtigen.

Deshalb wird die Klimakrise auch in Psychologie und Psychiatrie zu einem immer wichtigeren Thema. Der Handlungsbedarf wurde von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. längst erkannt. Diese hat deshalb die „Berliner Erklärung zu Klimawandel und psychischer Gesundheit“ mit Aufforderungen an Politik und Psychiatrie verfasst. Denn den Weg aus der Klimaangst kann letzten Endes nur ein Einsatz für eine faire, nachhaltige Welt bringen. Gemeinsam packen wir es an!

Lust auf mehr?

Wer sich dafür interessiert, wie wir an der Krise wachsen, statt zu verzweifeln, für den lohnt sich ein Blick ins Buch Klimagefühle. von den Gründer:innen der Psychologists for Future e.V. Lea Dohm und Mareike Schulze.

Sie möchten sich mit Ihren eigenen Klimagefühlen beschäftigen? Dann nehmen Sie an unserem Online-Selbstlernkurs zu Klimapsychologie teil. Das Modul Grundlagenkurs Klimapsychologie beschäftigt sich mit verschiedenen Klimagefühlen.

Noch nicht genug? Hier finden Sie ein spannendes Interview für die Helmholtz-Klima-Initiative sowie ein weiteres zum Thema Klimaangst.

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About

Veröffentlicht von Johanna Löloff, Psychologiestudentin an der Universität Heidelberg und Teil von ClimateMind.

ClimateMind ist die erste und derzeit einzige Beratungs- und Weiterbildungsagentur rund um die Themen Klimapsychologie und Klimakommunikation im deutschsprachigen Raum. Weitere Informationen sowie alle Angebote finden Sie hier.

Quellen

Beaglehole, B., Mulder, R. T., Frampton, C. M., Boden, J. M., Newton-Howes, G., & Bell, C. J. (2018). Psychological distress and psychiatric disorder after natural disasters: systematic review and meta-analysis. The British Journal of Psychiatry, 213(6), 716-722.

Clayton, S., Manning, C., Krygsman, K., & Speiser, M. (2017). Mental health and our changing climate: Impacts, implications, and guidance. Washington, DC: American Psychological Association and ecoAmerica.

Hickman, C., Marks, E., Pihkala, P., Clayton, S., Lewandowski, R. E., Mayall, E. E., … & van Susteren, L. (2021). Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey. The Lancet Planetary Health, 5(12), e863-e873.

Ogunbode, C. A., Doran, R., Hanss, D., Ojala, M., Salmela-Aro, K., van den Broek, K. L., … & Karasu, M. (2022). Climate anxiety, wellbeing and pro-environmental action: Correlates of negative emotional responses to climate change in 32 countries. Journal of Environmental Psychology, 84, 101887.