Von Pragmatischen, Enttäuschten und Wütenden – und wie wir mit ihnen über das Klima sprechen können 

9. Mrz 2023 | Praxisanleitungen, Wissenschaft erklärt

Dieser Artikel ist der dritte in unserer Reihe zu empathischer Klimakommunikation in Unternehmen. Zu den anderen Teilen geht es hier entlang:

Teil 1: Empathische Klimakommunikation: Wie Sie Mitarbeitende und Bevölkerung abholen

Teil 2: Von Offenen, Involvierten und Etablierten – und wie wir mit ihnen über das Klima sprechen können

Willkommen! Dürfen wir Ihnen den Rest des Teams aus dem Unternehmen „TransforME“ vorstellen?

Florian gehört zu den Auszubildenden des Unternehmens und interessiert sich nicht groß für das politische Geschehen. Er interessiert sich allerdings für Fragen der Digitalisierung und Mobilität. Ihm ist wichtig, dass das Unternehmen gut läuft und dass Deutschland eine stabile Wirtschaft hat.

Nico ist nun schon seit 15 Jahren festangestellt und arbeitet in Teilzeit, da er sich um seinen pflegebedürftigen Vater kümmert. Gemeinschaft ist ihm wichtig und der Zusammenhalt in der Gesellschaft fehlt ihm. Er empfindet sie als egoistisch und oft hat er das Gefühl wegen seinem geringeren Einkommen wenig Anerkennung zu erfahren.

Hilde steht kurz vor der Rente und blickt empört auf die politische Mitte. Sie hat wenig Vertrauen in Medien und Institutionen und redet gern über ihre politischen Ansichten. Dabei legt sie vor allem Wert auf die Themen Sicherheit und das Bewahren von Traditionen.

Diese drei Menschen gibt es natürlich nicht, und das Unternehmen „TransforME“ auch nicht. Die drei stehen jedoch repräsentativ für drei der sechs More in Common-Typen der deutschen Gesellschaft.

Was sind die More in Common-Typen?

Dieser Blogbeitrag ist der letzte Teil unserer dreiteiligen Reihe zu zielgruppengerechter Kommunikation und den More in Common-Typen. Bei den More in Common-Typen handelt es sich um 6 gesellschaftliche Typen, die viele Unterschiede, aber auch einige Gemeinsamkeiten haben: die Offenen, die Involvierten, die Etablierten, die Pragmatischen, die Enttäuschten und die Wütenden.

Wer die Eigenschaften dieser sechs Typen kennt, sollte sie für die Klimakommunikation im Unternehmen nutzen. Wer sich dafür interessiert, was die Typen verbindet findet einen Überblick dazu im ersten Teil unserer Reihe! Doch wodurch unterscheiden sie sich? Weil es für die Klimakommunikation wichtig ist, zu wissen, was die einzelnen Typen kennzeichnet und welche Art der Kommunikation sie brauchen, haben wir hier bereits drei von ihnen genauer vorgestellt. Nun folgen die letzten drei Typen und deren Unterschiede.

Wer sich jetzt fragt, zu welchem der Typen man selbst gehört kann das mit dem Typen-Test von More in Common übrigens ganz leicht herausfinden : https://www.dieandereteilung.de/das-quiz/

Wie Sie ganz gezielt die besonderen Eigenschaften der jeweiligen Typen in Ihrer Kommunikation über Klimathemen im Unternehmenskontext berücksichtigen können, erfahren Sie in unserer Checkliste “Klimakommunikation im Unternehmen”. Diese ist gezielt für die Anwendung in der Praxis ausgelegt und enthält die effektivsten Maßnahmen zur Kommunikation von Klimafragen. Die Checkliste können Sie hier downloaden:

Wer sind die Pragmatischen?

Florian gehört der jüngeren Generation im Unternehmen an, und passt mit seinem Charakter gut zur Gruppe der Pragmatischen. Ihr Denken ist nur wenig von moralischen Grundsätzen geprägt und sie legen Wert auf eine starke Wirtschaft. Einen Konflikt zwischen erfolgreicher Wirtschaft und Klimaschutzmaßnahmen sehen sie jedoch nicht. Sie haben einen Blick für das Potenzial von Innovationen um beide Ziele zu vereinen. Sie beteiligen sich gern wenn akut Hilfe gebraucht wird, sind aber nicht der Typ für ein längerfristiges Engagement. Eine aktive Rolle in Entscheidungsprozessen zu spielen, ist ihnen im Vergleich zu anderen Typen weniger wichtig.

Tipp 1: Zu Aktionen zum Anpacken einladen

Lassen Sie die Pragmatischen bei kleineren Klimavorhaben teil haben, denn besonders bei Aktionen mit spontanem Charakter und überschaubarem zeitlichen Einsatz beteiligt sich diese Gruppe gerne. Hilfreich können dabei Erfahrungsberichte Gleichgesinnter sein, die von ihrer Freude bei Aktionen berichten. 

Tipp 2: Innovationspotenzial betonen

Klimaschutz ist Innovationstreiber und hiervon sind die Pragmatischen begeistert. Wandel im Unternehmen wird diese Gruppe vor allem dann unterstützen, wenn betont wird, dass dieser auch eine wirtschaftliche Chance bietet und das Unternehmen zukunftsfähig hält. Klimaschutz, der Arbeitsplätze schafft und Deutschlands Industrie innovativer, ist für diese Menschen erstrebenswert.

Tipp 3: Polarisieren vermeiden

Pragmatische haben schnell das Gefühl, dass beim Klimaschutz zu viel politisiert wird. Hier sollte man auf keinen Fall Druck auf die Person ausüben, sich politisch zu positionieren. Es kann auch helfen, wenn stattdessen betont wird, dass auch kleine Aktionen einen wertvollen Beitrag zur Gesamtveränderung darstellen.

Tipp 4: Verwechslungsgefahr

Vorsicht vor Verwechslung mit den jungen Offenen, mit denen die Pragmatischen auf Grund des ähnlichen Alters oft in eine Schublade gesteckt werden. Sie teilen den eher aktivistischen Charakter der Offenen jedoch nicht. Stattdessen sollte man eher niederschwellig arbeiten und zeigen, wo für die Pragmatischen spontaner und persönlich relevanter Klimaschutz ist. 

Tipp 5: Evidenzbasiert und logisch argumentieren

Wird der Mehrwert von Klimaschutzmaßnahmen faktenbasiert und greifbar vermittelt, bedient das den rationalen Charakter der Pragmatischen.  

Beispiel zu Klimakommunikation mit Pragmatischen: Hier bietet sich die Vorbereitung von Kurzvideos an, die faktenbasiert über den Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen – auch für das eigene Interesse – aufklären.

Wer sind die Enttäuschten? 

Nico gehört der Gruppe der Enttäuschten an. Bei diesen handelt es ich um Menschen verschiedenen Alters, die eher ein geringeres Einkommen haben, wenig politischen Halt in der Gesellschaft finden und von Abstiegsängsten geplagt werden. Ein starkes Gefühl von Kontrolle über das eigene Leben besteht nicht und es fehlt ihnen an positiven Zukunftsvisionen. Das betrifft auch einen Mangel an Glauben an die positiven Nebeneffekte von Klimaschutz und ein allgemein niedriges Vertrauen in andere. 

Tipp 1: Fokus auf gute Ergebnisse

Die Enttäuschten für Klimaschutz zu begeistern, ist nicht so einfach. Eine Möglichkeit, um sie zu überzeugen ist es, in Vorleistung zu gehen. Wurden Maßnahmen für den Klimaschutz erfolgreich umgesetzt, welche zur Verbesserung der Gesamtsituation beigetragen haben, dann kann dies die Enttäuschten erreichen. Sie werden durch spürbare positive Veränderungen empfänglicher für Klimathemen.

Tipp 2: Kollektives Handeln

Die Enttäuschten haben einen Wunsch nach Gemeinschaft, der ernst genommen werden sollte. Es ist in dieser Gruppe besonders wichtig, zuzuhören und auf ihre Lebensrealität einzugehen. Auch kann es helfen, wenn ähnliche Menschen davon erzählen, dass gemeinsames Handeln für Klimaschutz auch das Gemeinschaftsgefühl stärkt. Das kann helfen, die Enttäuschten für niedrigschwellige Klimaschutzaktivitäten bereit zu machen.

Tipp 3: Sozial-gerechte Klimapolitik erklären

Wenn eine Klimapolitik umgesetzt wird, die auch finanzielle Entlastung für Menschen mit geringen Einkommen beinhaltet, dann muss sich in der Theorie niemand um damit einhergehende Kosten sorgen. Dies ist jedoch eine häufige Befürchtung unter den Enttäuschten. Hier lohnt es sich zu erklären, wie Ansätze wie etwa das “Polluter pays” -Prinzip finanzielle Entlastung geboten werden kann. 

Tipp 4: Empathische Kommunikation

Diese ist bei den Enttäuschten besonders wichtig. Von individuellen Appellen sollte man lieber absehen und stattdessen den Enttäuschten Raum geben und ihnen zuhören, um ihre Interessen und Wünsche zu verstehen.  

Tipp 5: Nicht stigmatisieren

Hier gilt es aufzupassen, denn Klimaschutzmaßnahmen werden von den Enttäuschten nicht grundsätzlich abgelehnt. Werden ihre Werte und Ansichten generalisiert und mit einem stigmatisierenden Blick betrachtet, fühlen sich diese Menschen von der Klimabewegung ausgeschlossen. Deshalb gilt es im Zweifelsfall auf eine inklusive und klare Wortwahl zu setzen.

Tipp 6: Gerechtigkeitssinn ansprechen

Die Enttäuschten sympathisieren mit der Gruppe der Unterlegenen und sehen sich als Teil davon. Sie haben den Wunsch nach einer sozial-gerechten Klimapolitik, die Ungleichheiten angeht.

Beispiel zu Klimakommunikation mit den Enttäuschten: Vielen Dank für ihr wertvolles Feedback zu unserem Klimavorhaben. So habe ich das noch nie betrachtet. Ich denke, sie können da eine interessante Perspektive einbringen. Wie wäre es, wenn sie sich beim nächsten Arbeitstreffen einbringen? Dort ist immer Raum für Austausch.“

Wer sind die Wütenden 

Hilde repräsentiert die Wütenden, und damit einen Teil der Gesellschaft in höherem Alter, der ein durchschnittliches Einkommen bezieht. Sie sind unzufrieden mit dem gesellschaftlichen Miteinander und beklagen ein mangelndes Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen. Sie halten wenig von Aktivismus für Klimaschutz und haben den Eindruck, dass Deutschland in Sachen Klimaschutz schon genug tut und nun andere Länder an der Reihe sind. Zudem wird der Mehrwert von positiven Nebeneffekten von Klimaschutzmaßnahmen nicht gesehen.

Tipp 1: Es gibt Hoffnung

An sich unterstützen auch die Wütenden Klimamaßnahmen, was ein gutes Zeichen ist, da sie die Gruppe mit den misstrauischsten Einstellungen sind. Wer Klimaschutzmaßnahmen umsetzen will, braucht sich also nicht zu sehr um eine negative Resonanz sorgen.

Tipp 2: Beteiligungsformate schaffen

Die Wütenden legen viel Wert darauf, in Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden. Damit sich niemand bevormundet fühlt ist es wichtig, alle früh genug und nicht bloß oberflächlich zu beteiligen.

Tipp 3: Debatten ausgeglichen führen

Es ist wichtig, verhärtete Fronten garnicht erst aufkommen zu lassen. Klimadebatten haben ein Eskalationspotenzial, da hier verschiedene Wertvorstellungen aufeinanderprallen. Formate sollten so gewählt werden, dass laute Stimmen nicht überbetont werden und Debatten lösungsorientiert verlaufen können.

Tipp 4: Verantwortung der Verursacher betonen

Die Wütenden haben die Sorge, dass Klimaschutz am Ende allein von der Bevölkerung getragen werden muss. Hier lohnt es sich hervorzuheben, dass Verursacher von Umweltschäden auch angemessen an der Lösung des Problems beteiligt werden sollten.

Beispiel zu Klimakommunikation mit den Wütenden: „Welche Form der Beteiligung wünschen Sie sich, wenn wir in unserem Unternehmen Klimaschutzmaßnahmen erarbeiten wollen?“

Und jetzt? Was wir von More in Common lernen können:

Die Gesellschaft ist durch unterschiedliche Werte und Ideologien geprägt. Die spiegelt sich auch in unseren Unternehmen wider. Doch es gibt gemeinsamen Boden und die Bedeutung von Klimaschutz ist in allen Segmenten der Gesellschaft angekommen. 

Für Unternehmen bietet dies das Potenzial, Klimaschutz mit Rückhalt der Mitarbeitenden zum Unternehmensziel zu machen und den Zusammenhalt durch die geteilte Verantwortung zu stärken. Gleichzeitig kann maßgeschneiderte Klimakommunikation dabei helfen, auf die Bedürfnisse der einzelnen einzugehen.

Wichtig ist aber auch: Die Einteilung von Menschen in verschiedene Zielgruppen kann Kommunikation einfacher machen und dabei helfen, spezifische Angebote zu schaffen. Allerdings ist eine solche Einteilung auch immer eine starke Vereinfachung der Realität. Es ist deshalb besonders wichtig sich immer daran zu erinnern, dass man den einzelnen Zielgruppen mit Offenheit begegnet, neue Informationen sammelt und bereit bleibt, neue Perspektiven einzunehmen.

Wir hoffen unsere Reihe aus den Artikeln Empathische Klimakommunikation: Wie Sie Mitarbeitende und Bevölkerung abholen, Von Offenen, Involvierten und Etablierten – und wie wir mit ihnen über das Klima sprechen können und diesem letzten Blogbeitrag helfen Ihnen, zukünftig noch zielgerichteter Klimakommunikation führen zu können. 

Sie möchten zielgruppenorientierte Klimakommunikation nun auch in Ihrem Unternehmen anwenden? Dann empfehlen wir Ihnenen unsere Checkliste “Klimakommunikation in Unternehmen”. Diese enthält die effektivsten Maßnahmen zur Kommunikation von Klimafragen im Unternehmenskontext und ist explizit so aufgebaut, dass sie direkt in der Praxis angewendet werden kann. Hier gelangen Sie zum Download der Checkliste:

Lust auf mehr?

Weitere Tipps & Tricks für gelungene Klimakommunikation in besonders schwierigen Situationen finden Sie in diesem Artikel vom Online-Magazin Waschbär.

Sie haben Lust, sich und Ihre Mitarbeitenden in einem unserer Online-Selbstlernkurse zu zielgruppengerechter Klimakommunikation weiterzubilden? Dann stöbern Sie gern einmal in unseren Online-Kursen der ClimateMind Academy und schauen Sie in Modul 3 des Online-Kurses zu Klimakommunikation vorbei.

Sie sollten viel mehr Klimakommunikation in Ihrem Unternehmen betreiben und suchen nach Unterstützung? Gerne führen wir ein Training mit Ihren Führungskräften durch, damit Sie in Zukunft jede Person auf passender Weise für Ihre Nachhaltigkeitsstrategie begeistern und befähigen können. Schreiben Sie uns dafür gern an mail@climatemind.de, wir melden uns direkt bei Ihnen zurück.

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About

Veröffentlicht von Janna Hoppmann, Klima- und Organisationspsychologin. Als Gründerin des Social Start-ups ClimateMind trainiert sie Führungskräfte darin, zu authentischen und inspirierenden Entscheider:innen für Klimaschutz zu werden. In den letzten zwei Jahren hat sie rund 1.500 Change Agents zu Klimapsychologie beraten und weitergebildet.

ClimateMind ist die erste und derzeit einzige Beratungs- und Weiterbildungsagentur rund um die Themen Klimapsychologie und Klimakommunikation im deutschsprachigen Raum. Weitere Informationen sowie alle Angebote finden Sie hier.

Quellen

https://climateoutreach.org/uebers-klima-reden/

https://www.moreincommon.de/klimazusammenhalt