Empathische Klimakommunikation: Wie Sie Mitarbeitende und Bevölkerung abholen

27. Feb 2023 | Praxisanleitungen, Wissenschaft erklärt

Gespräche über das Klima sind nicht immer leicht. Im eigenen Freundeskreis laufen solche Unterhaltungen dank geteilter Perspektiven meist wie von selbst, doch verlässt man sein sicheres Umfeld sieht es schnell anders aus. In der erweiterten Familie, der Nachbarschaft und im beruflichen Umfeld treffen unterschiedliche Weltanschauungen, Werte und Grundeinstellungen aufeinander. Hier können Diskussionen auch mal etwas unangenehmer werden. In solchen Kreisen werden Gespräche über kontroverse Themen vielleicht eher gemieden, weil sie als schwierig wahrgenommen werden.

Das Vermeiden von Gesprächen und Austauschräumen rund um Klima und Biodiversität gilt besonders in Unternehmen, da hier die Sorge besteht, die Arbeitsbeziehung mit einem Gespräch zur Klimakrise zu gefährden. Wir zeigen: Das muss nicht so sein!

3 Gründe, warum zielgruppengerechte Klimakommunikation im Unternehmen wichtig ist

Das Thema Klimaschutz ist in vielen Unternehmen aktueller denn je. Möchte man das Thema Nachhaltigkeit fest im Geschäftsmodell verankern, prägt dies auch die Kommunikation im Unternehmen – unter Mitarbeitenden, mit Kund:innen und gegenüber der Bevölkerung.

  1. Die interne Kommunikation ist ein elementarer Bestandteil jeder Unternehmenskultur. Über die Kommunikation im Unternehmen werden gemeinsame Werte gebildet und gefestigt.
  2. Möchte man Nachhaltigkeit als Wert im Unternehmen stärken, ist es wichtig, angemessen über ökologische Anliegen zu kommunizieren, um bei allen Mitarbeitenden echte Motivation und Neugierde zu schaffen, die Nachhaltigkeitsreise mit voranzutreiben.
  3. Besonders bei sensiblen Themen, zu denen es unterschiedliche Meinungen gibt, wozu eindeutig auch Klima und Biodiversität gehört, ist die maßgeschneiderte Kommunikation wichtig, um möglichst alle mitzunehmen.

Nicht von allen Mitarbeitenden werden ähnliche Meinungen und Werte rund um Ökologie geteilt. Für Führungskräfte stellt dies eine besondere Herausforderung dar. Um alle mitzunehmen, zu begeistern und zu befähigen, braucht es eine zielgruppenorientierte Kommunikation.

Dabei geht es darum, Menschen in ihrer Lebensumwelt abzuholen, individuell auf die Person einzugehen und zielorientierte Gespräche über das Klima und Klimaschutz zu führen und strukturell zu fördern. Orientieren sich unternehmensinterne, aber auch gesamtgesellschaftliche, lösungsorientierte Diskurse an der spezifischen Zielgruppe, können alle Teile der Gesellschaft auf die Reise hin zu „net positive“ (Paul Polman) mitgenommen werden.

Damit die individuelle Kommunikation gelingt, braucht es etwas Hilfe. Hier kommen die More in Common-Segmente ins Spiel!

Was sind die More in Common-Segmente?

Die More in Common-Segmente zeichnen ein Bild unserer Gesellschaft. Sie stammen von der internationalen gemeinnützigen Organisation „More in Common“, die sich dem Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt widmet und Menschen einander näherbringen möchte, um gesellschaftlicher Spaltung entgegenzuwirken.

More in Common hat im Jahr 2019 über 4.000 Menschen in Deutschland befragt. In der Befragung konnten die Menschen sich innerhalb der Gesellschaft verorten, sich zu ihren Perspektiven und Grundüberzeugungen äußern. Im Anschluss wurden sie anhand ihrer Antworten gruppiert. Das Ergebnis? Sechs verschiedene gesellschaftliche Typen, die sich in ihren Werten unterscheiden.

Warum in der Klimakommunikation ein Blick auf Werte hilfreich ist

Die Eigenschaften dieser sechs Typen können und sollten für die Klimakommunikation genutzt werden. Im Rahmen des Projekts “Übers Klima reden” von Climate Outreach, klimafakten.de und More in Common, welches wir als ClimateMind unterstützt haben, wurde untersucht, wie die verschiedenen Typen die Klimakrise wahrnehmen und wie Klima und gesellschaftlicher Zusammenhalt gemeinsam gedacht werden können.

Um Menschen tatsächlich zum Handeln zu motivieren, braucht es eine aktivierende Klimakommunikation. Eine Kommunikation, die Mitarbeitende und Führungskräfte bestärkt und ermutigt, aktiv zu werden und Lösungen auf die globalen Krisen zu suchen.

Wir wissen: Dafür dürfen wir nicht bloß naturwissenschaftliche Fakten und Wissen vermittelt, sondern müssen auch die Werte und Grundeinstellungen der Zielgruppen berücksichtigen.

Um verschiedene Zielgruppen zu unterscheiden, können die sechs More In Common Typen herangezogen werden. Was also zeichnet diese gesellschaftlichen Typen aus?

Sechs gesellschaftliche Typen und ihre Eigenschaften 

Die Offenen:  

Die Offenen legen Wert auf Selbstentfaltung, Weltoffenheit und kritisches Denken. 

Die Involvierten:  

Ein ausgeprägter Bürgersinn, Wert aufs Miteinander und die Verteidigung von Errungenschaften zeichnet die Involvierten aus. 

Die Etablierten: 

Menschen die Wert auf Zufriedenheit, Verlässlichkeit und gesellschaftlichen Frieden legen, zählen zur Gruppe der Etablierten.

Die Pragmatischen:  

Auf Erfolg, privates Fortkommen und das Prinzip „Kontrolle vor Vertrauen“ setzen die Pragmatischen.  

Die Enttäuschten:  

Zur Gruppe der Enttäuschten gehören Menschen, die eine (verlorene) Gemeinschaft, (fehlende) Wertschätzung und Gerechtigkeit empfinden. 

Die Wütenden:  

Zu Eigenschaften der Wütenden zählen der Fokus auf Nationale Ordnung, Unzufriedenheit mit der Politik und Misstrauen. 

Gemeinsamkeiten aller sechs Typen für Klimakommunikation im Unternehmen nutzen 

Wir werfen den Blick auf das große Ganze: Denn es gibt „More in Common“ zwischen den Typen. So unterschiedlich sie auch sein mögen, in Bezug auf den Klimaschutz zeigen sich zwischen den verschiedenen Gruppen auch einige Gemeinsamkeiten. Was sind diese Gemeinsamkeiten und wie kann man sie in Gesprächen über Klimaschutz im Unternehmenskontext nutzen? Wir verraten es Ihnen! 

1. Gemeinsamkeit: Ausgeprägtes Klimabewusstsein 

Nahezu alle Menschen in Deutschland haben die Ernsthaftigkeit der Klimakrise erkannt und teilen die Besorgnis über darüber. Sie sehen die Auswirkungen bereits in Deutschland und wissen auch, dass eine globale, länderübergreifende Antwort erfordert wird. Gleichzeitig fühlen sie sich in ihrer persönlichen Handlungsfähigkeit eingeschränkt. 

Kommunikations-Tipp: Bei Menschen, denen es so geht, hilft es persönliche Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und niederschwellige Angebote zum Einsatz für Klimaschutz zu machen – zum Beispiel während der Arbeit. Das stärkt die Handlungsfähigkeit. Zum Beispiel: „Ich finde auch, dass wir endlich mehr für unser Klima tun müssen. Wie wäre es, wenn wir direkt bei uns im Unternehmen anfangen und uns in einer neuen Arbeitsgruppe zu Nachhaltigkeit dazu austauschen, wie wir das Thema stärken können?“  

2. Gemeinsamkeit: Einige gemeinsame Werte 

Einige gesellschaftliche Werte und Ideen werden übergreifend von allen Typen unterstützt. Dazu gehören die Wünsche nach Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur und gesellschaftlicher Zusammenarbeit. Ein weiteres, geteiltes Anliegen ist die Forderung nach einer Klimapolitik, die durch eine Balance zwischen Vorschriften für die Wirtschaft einerseits und motivierende Anreize zur Stärkung der Eigenverantwortung der Bevölkerung andererseits gekennzeichnet ist. 

Kommunikations-Tipp: Klimaschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe herausstellen und die geteilte Verantwortung zur Bildung eines Gemeinschaftsgefühls nutzen. Zum Beispiel: „Unser Unternehmen ist selbstverständlich Teil der Gesellschaft und wie unsere Konsument:innen und die Politik müssen auch wir unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten“.

  

3. Gemeinsamkeit: Gerechtigkeitsempfinden 

Geteilt wird auch ein Gespür für soziale Gerechtigkeit und die Bezahlbarkeit von Klimaschutzmaßnahmen. Dabei wird in der Regel ein Modell bevorzugt, bei welchem Beiträge zum Klimaschutz an das Einkommen angepasst werden. 

Kommunikations-Tipp: Hier bietet es sich an, die Potenziale von „Polluter Pays“-Modellen zu veranschaulichen. Nach diesen sind die Verursacher von Umweltschäden diejenigen, welche für die dadurch verursachten Kosten aufkommen müssen. Zudem kann die Möglichkeit von finanzieller Entlastung durch sozial-gerechte Klimapolitik thematisiert werden. Beispiel: „Mit unserem Unternehmen sind wir nicht nur am CO2 Ausstoß von Deutschland beteiligt, sondern sitzen auch an einem ziemlich langen Hebel, um daran etwas zu ändern. Wir sollten uns in der Lobbyarbeit dafür einsetzen, klimafreundliche Produktion rentabler zu machen und uns für sozial-gerechte Lösungen einbringen, damit unsere Produkte für die Mehrheit der Gesellschaft zugänglich bleiben“. 

4. Gemeinsamkeit: Ohnmachtsgefühl und Wunsch nach Handlungsmöglichkeiten 

Das Ausmaß und die Ernsthaftigkeit der Klimakrise führen leider oft zu Ernüchterung. Menschen berichten übergreifend, dass sie wenig Fortschritt wahrnehmen und wenig Ideen zu positiven und inspirierenden Zukunftsvisionen haben. 

Kommunikations-Tipp: Durch Erfolgsgeschichten dem Verdruss und Weltuntergangsstimmung entgegenwirken und Mut machen – denn es wurde schon viel bewegt in den letzten Jahren! Auch einige Unternehmen sind hier mittlerweile auf dem richtigen Weg und schließen sich der „net positive“-Bewegung an. Beispiel: „Ich bin oft frustriert, weil wir als Unternehmen noch so weit von der Klimaneutralität entfernt sind. Aber ich habe mich mal damit auseinandergesetzt, wie viele Emissionen wir schon einsparen konnten. Das sieht gar nicht so schlecht aus und hat mir gezeigt, dass in den Bereichen, wo bisher wenig passiert ist, ein unglaubliches Potenzial liegt“.  

5. Gemeinsamkeit: Hoffnung auf eine bessere Zukunft 

Bei allen gesellschaftlichen Typen ist außerdem die Anerkennung von positiven Nebeneffekten von Klimaschutzmaßnahmen in anderen Bereichen zu beobachten, z. B. die höhere Lebensqualität in Städten. Diese positiven Nebeneffekte werden auch Co-Benefits genannt. 

Kommunikations-Tipp: Wenn die positiven Folgen von Klimaschutzmaßnahmen schon erkannt wurden, sollten wir dies nutzen. Hier gilt es, Individuen in ihrer Rolle als Antreiber:innen sowie Profiteur:innen von Klimaschutzmaßnahmen zu bestärken und Möglichkeiten zur Beteiligung aufzuzeigen. Beispiel: „Wir sollten unsere Klimaschutzmaßnahmen und Tipps zur Umsetzung mit anderen Unternehmen teilen, um diese auch zu mehr Klimaschutz zu ermutigen. Gemeinsam können wir die Krise nutzen, um unseren Arbeitsalltag viel stärker auf den Purpose auszurichten, der uns eigentlich antreibt.“

Unser Fazit zu empathischer Klimakommunikation 

Jetzt haben Sie schonmal ein paar Allrounder zur Hand, die in der Regel bei allen gesellschaftlichen Typen – ob bei Mitarbeitenden und Kolleg:innen in Ihrem Unternehmen, bei Ihren Führungskräften oder bei der breiten Bevölkerung – gut ankommen und die Aufhänger für ein Gespräch über Klimaschutz und Klimapolitik darstellen können. Da geht aber noch mehr! 

Neben den Gemeinsamkeiten gibt es auch zahlreiche Unterschiede zwischen den Typen. Denn in unserer Gesellschaft trifft eine Vielzahl an Einstellungen und Perspektiven aufeinander. Was zeichnet die einzelnen Typen im Detail aus? Und worauf sollte man bei der Klimakommunikation mit den unterschiedlichen Typen achten?  

Dies können Sie im nächsten Blog-Artikel zu diesem Thema erfahren – und vielleicht die ein oder andere Parallele zu Führungskräften, Mitarbeitenden und anderen Menschen auch in Ihrem eigenen Umfeld entdecken! 

Lust auf mehr?

Weitere Tipps & Tricks für gelungene Klimakommunikation in besonders schwierigen Situationen finden Sie in diesem Artikel vom Online-Magazin Waschbär.

Sie haben Lust, sich und Ihre Mitarbeitenden in einem unserer Online-Selbstlernkurse zu zielgruppengerechter Klimakommunikation weiterzubilden? Dann stöbern Sie gern einmal in unseren Online-Kursen der ClimateMind Academy und schauen Sie in Modul 3 des Online-Kurses zu Klimakommunikation vorbei.

Sie sollten viel mehr Klimakommunikation in Ihrem Unternehmen betreiben und suchen nach Unterstützung? Gerne führen wir ein Training mit Ihren Führungskräften durch, damit Sie in Zukunft jede Person auf passender Weise für Ihre Nachhaltigkeitsstrategie begeistern und befähigen können. Schreiben Sie uns dafür gern an mail@climatemind.de, wir melden uns direkt bei Ihnen zurück.

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About

Veröffentlicht von Janna Hoppmann, Klima- und Organisationspsychologin. Als Gründerin des Social Start-ups ClimateMind trainiert sie Führungskräfte darin, zu authentischen und inspirierenden Entscheider:innen für Klimaschutz zu werden. In den letzten zwei Jahren hat sie rund 1.500 Change Agents zu Klimapsychologie beraten und weitergebildet.

ClimateMind ist die erste und derzeit einzige Beratungs- und Weiterbildungsagentur rund um die Themen Klimapsychologie und Klimakommunikation im deutschsprachigen Raum. Weitere Informationen sowie alle Angebote finden Sie hier.

Quellen

https://climateoutreach.org/uebers-klima-reden/

https://www.moreincommon.de/klimazusammenhalt